Im Dezember fühlen sich plötzlich viele Menschen ausgelaugt, müde und antriebslos — obwohl doch die Feiertage vor der Tür stehen und angeblich Freude bringen sollen. Ein Berliner Psychologe, mit dem ich gesprochen habe, nennt dafür gleich mehrere Gründe: biologisch, sozial und kulturell. Was überrascht: Häufig sind es nicht dramatische Ursachen, sondern kleine, kumulative Effekte, die zusammen die Energie rauben.
Der erste Grund: Das Licht ist weg
Wenig Tageslicht ist kein Mythos. Mit kürzeren Tagen sinkt die Produktion von Serotonin — unserem „Stimmungs-Neurotransmitter“ — und Melatonin steigt, wodurch wir müder und träger werden. In Berlin merkt man das besonders: Selbst ein Spaziergang durch Prenzlauer Berg oder entlang der Spree bringt im Dezember oft kaum echtes Sonnenlicht.
Biologie trifft Alltag
Der Psychologe erklärt es so: Licht reguliert die innere Uhr. Wenn die innere Uhr verrutscht, sind Motivation und Konzentration die ersten Opfer. Viele Menschen kompensieren das mit mehr Koffein oder abendlicher Bildschirmzeit — ein Teufelskreis, der den Schlaf weiter stört.

Soziale und emotionale Treibsand
Hinzu kommen soziale Erwartungen: perfekte Geschenke, festliche Stimmung, Familienbesuche. In Berlin, wo viele alleinlebend und beruflich stark eingespannt sind, erzeugt das Vergleichs- und Leistungsdruck. Weihnachtsmärkte wie am Alexanderplatz mögen stimmungsvoll sein, doch sie erinnern gleichzeitig an vermeintliche Pflichten — und das raubt Kraft.
Warum Apathie, nicht Traurigkeit?
Apathie ist oft weniger dramatisch als eine Depression: Sie zeigt sich durch nivellierte Gefühle, geringe Initiative und wenig Interesse. Der Unterschied ist wichtig, denn viele Menschen denken, sie müssten sich „mehr anstrengen“, dabei sind die Umstände Teil des Problems.
Konkrete, sofort anwendbare Schritte
Der Berliner Psychologe empfiehlt pragmatische Maßnahmen, die Sie sofort ausprobieren können. Keine Wunder, aber effektive Hebel:
- Tageslicht priorisieren: morgens 20–30 Minuten rausgehen, auch bei Wolken. Ein Spaziergang zur S-Bahn hilft.
- Lichttherapie: Eine Tageslichtlampe (10.000 Lux) morgens für 20–30 Minuten kann echten Unterschied machen.
- Schlafhygiene: feste Bettzeiten, Bildschirme eine Stunde vor dem Schlafen reduzieren.
- Erwartungen begrenzen: Planen Sie weniger Perfektion, mehr echte Pausen — sagen Sie Termine ab, wenn nötig.
- Bewegung: kurzes HIIT oder Spaziergänge reduzieren Müdigkeit schneller als Kaffee.

Praktische Beispiele aus Berlin-Alltag
Statt dem Marathon von Weihnachtsfeier zu Weihnachtsfeier empfiehlt der Psychologe: Zwei echte Treffen, bei denen Sie sich wohlfühlen. Probieren Sie eine Stunde Nordic Walking im Volkspark Friedrichshain statt einer weiteren Glühweinrunde. Oder setzen Sie sich bewusst in ein Café in Kreuzberg und machen nichts — nur fünf Atemzüge beobachten.
Wenn es mehr ist: Wann professionelle Hilfe suchen
Gefühlte Apathie verschwindet oft mit kleinen Veränderungen. Bleiben allerdings Schlafstörungen, Interessenverlust oder starke Niedergeschlagenheit über Wochen, ist das ein Zeichen, eine Fachperson aufzusuchen. In Berlin gibt es niedrigschwellige Angebote, etwa an Universitätskliniken und Beratungsstellen — scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu holen.
Ein letzter, ehrlicher Tipp
Ich selber habe gelernt, dass kleine Rituale wirken: eine Tasse Tee am Fenster, eine Liste mit drei sinnvollen, aber machbaren Aufgaben pro Tag. Nicht alles muss glänzen. Manchmal reicht es, die Schwere in kleine, handhabbare Stücke zu teilen.
Probieren Sie einen der oben genannten Schritte diese Woche aus — und schreiben Sie, welche Wirkung Sie bemerken. In Berlin oder anderswo: Teilen hilft, und manchmal ist schon ein kurzer Austausch die beste Motivationsspritze.
