Ist eine Designertasche wirklich eine Investition – oder doch eher ein fragwürdiger Luxus? In einer Zeit, in der Mode und Finanzen eng miteinander verwoben sind, werfen wir einen Blick auf den Traum vom Luxus-Accessoire, die Chancen auf Wertsteigerung und was Expertinnen und Experten dazu sagen.
Ich habe lange davon geträumt, einen Kleiderschrank voller edler Kleidung und High-End-Taschen zu besitzen. Wahrscheinlich haben Filme und Serien wie „Sex and the City“ meine Erwartungen an das Erwachsenenleben geprägt – und mit ihnen die Lust auf luxuriöse Einkäufe.
Aber darf man sich nicht auch mal etwas gönnen?
Als ich mir dann tatsächlich eine Designerhandtasche bestellt habe, waren die Reaktionen gemischt.
Für mich war die Tasche ein Wohlfühlkauf – vielleicht sogar eine kluge Anlage fürs Leben. „Diese Tasche wird noch im Wert steigen“, sagte ich zu meinem Freund, als sie endlich ankam. Er lachte nur und meinte, das wäre wieder so ein Versuch, meine Shopping-Laune zu rechtfertigen.
Designertaschen galten ja schon öfter als echtes Investitionsobjekt. Doch kann ich wirklich verantworten, so viel Geld auszugeben?
Ein Kauftraum: Warum eine Designertasche?
Fragt man mich, warum ich für eine Tasche so viel Geld ausgebe, liegt es nicht nur an der Investition. Ich will dieses Stück einfach besitzen. Mir gefällt, dass es nicht jeder hat, dass sie hochwertig verarbeitet ist und vielleicht sogar eines Tages weitervererbt werden kann.
Ida Elise Eide Einarsdóttir, Modechefin bei KK, meint dazu:
– Die Modeindustrie verkauft vor allem einen Traum. Gerade in Krisenzeiten wirkt das wie ein Widerspruch – und doch war Mode immer schon auch eine Form von Eskapismus. Bei kleinen Luxusprodukten spricht man da sogar vom „Lippenstift-Effekt“.
Auch Chefredakteurin Ingeborg Heldal glaubt, dass die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren hier eine große Rolle spielt.
Sie selbst entdeckte ihre Leidenschaft, als Lady Diana in den Medien mit einer Dior-Tasche auftauchte: Ein Stück Traum zum Greifen nah. Also kaufte sie eine Lady Dior, benannt nach der Prinzessin.
– Seitdem standen viele Taschen auf meiner Wunschliste, einige habe ich mir erfüllt. Aber auf meine Lady Dior bin ich besonders stolz.
Statussymbol oder Herzenswunsch?
Ein Großteil der Faszination liegt vermutlich darin, sich in ein Leben voller Luxus zu träumen – ganz ohne finanzielle Sorgen.
– Für viele zählt, welches Statement sie mit einer bestimmten Tasche setzen, meint Heldal.
Wie Carrie in „Sex and the City“ zu Samantha sagt, als diese sehnsüchtig vor einer Hermès Birkin steht: „Diese Tasche ist gar nicht dein Stil.“ Worauf Samantha kontert: „Es geht nicht um den Stil, sondern darum, wie es sich anfühlt, sie zu tragen. Wenn ich die in der Stadt ausführe, weiß ich: Ich hab’s geschafft!“
Nicht zu leugnen ist: Hochpreisige Mode ist längst ein Statussymbol. Wer mit einer Tasche für mehrere Tausend Euro unterwegs ist, zeigt klar, was finanziell möglich ist – ähnlich wie mit teuren Autos oder Uhren.
Und ich gebe zu: Ich will keinesfalls den Eindruck erwecken, mein teures Accessoire demonstriere angeblichen Reichtum – denn im Ernst: Ich muss mit meinem Geld haushalten. Meine Freunde wissen das.
Gerade weil ich für mein eigenes Apartment spare, muss ich genau abwägen. Aber um noch mal Carrie zu zitieren: „Ich mag mein Geld dort, wo ich es sehen kann – hängend in meinem Kleiderschrank.“
Und damit stellt sich die Frage: Wann kann man sich so eine Tasche eigentlich leisten?
Darf man sich teure Wünsche erfüllen?
Viele würden sagen: Wer kein Geld für eine eigene Wohnung hat, sollte wohl auch keine teuren Taschen kaufen. Das habe ich tatsächlich schon öfter gehört.
Andererseits: Ich gehe nicht ständig feiern, verreise nicht oft, und Golf-, Ski- oder Kletterausrüstung interessieren mich auch wenig.
Eine Freundin meinte, es sei Quatsch, für eine Tasche so viel auszugeben, solange man kein Wohneigentum hat. Andererseits: Lieber ein teures Teil, an dem man jahrelang Freude hat, als ständig billige „Fast Fashion“. Am Ende entscheidet wohl die Motivation, warum Sie eine Tasche kaufen.
– Wenn Sie sie kaufen, weil sie gerade Trend ist, werden Sie keine echte Freude daran haben. Kaufen Sie sie als Investition, müssen Marke und Modell stimmen. Und wenn Sie sie einfach lieben und gern nutzen, ist es auch kein Fehlkauf.
Aus Sicht von Einarsdóttir sind Designertaschen ohnehin Identitätsmarker – und die Diskussion um Kaufdruck sollte geführt werden.
– Mode wird oft belächelt, als oberflächlich abgetan. Aber Kleidung ist mehr als Stoff, und Designerstücke schlagen als Anlage manchmal sogar Gold und Aktien. Vielleicht ist der Kauf also gar nicht so verkehrt?
Natürlich erscheint es verrückt, tausende Euro für ein Accessoire auszugeben, das am Ende nur Handy und Portemonnaie beherbergt. Überlegen Sie, was man sonst mit dem Geld machen könnte!
Die Debatte ist übrigens nicht neu: Bereits 2019 war das Thema Teil der Sendung Lindmo. Schauspielerin Linn Skåber witzelte damals:
– Für mich ist es naheliegender, jemanden zu töten, als 15.000 Euro für eine Tasche auszugeben. Stehen Sie damit vor mir und ich sage: „Tolle Tasche!“, dann lüge ich. Ich denke: „Bist du eigentlich verrückt?“ Mit so einer teuren Tasche kann man sich gleich ein „Idiot“-Tattoo auf die Stirn machen lassen.
Auch bekannte Persönlichkeiten wie Jenny Skavlan und Fetisha Williams verstehen nicht, warum Leute tausende Euro in eine Tasche investieren.
– Wer 20.000 Euro für eine Tasche übrig hat, hat bestimmt keine Geldsorgen, sagte Williams mal gegenüber KK.
Die Einwände sind berechtigt – trotzdem scheint niemand so kritisch zu sein, wenn andere für Sport oder Hobbys große Summen ausgeben.
Schäm dich nicht für deinen Traum
Vergleicht man Taschenpreise mit einer Golfausrüstung oder einem hochwertigen Fahrrad, sind die Unterschiede gering – oder die Sportartikel sogar noch teurer.
– Was mich stört, ist der Fokus auf teure Taschen und dass Menschen dafür fast beschämt werden. Niemand rümpft die Nase, wenn jemand tausende Euro für Ski, Fahrräder, Gitarren oder sonstige Hobbys ausgibt, sagt Heldal und fügt an:
– Besonders klassische „feminine“ Ausgaben stehen immer wieder in der Kritik – das ärgert mich maßlos.
Nichtsdestotrotz versteht Heldal, warum viele angesichts der Preise zurückschrecken – 20.000 Euro für ein Accessoire sind kein Pappenstiel.
Auch Einarsdóttir findet: Der Wunsch nach einer Designerbag sollte kein Tabu sein.
– Gerade Frauen erleben hier oft Schamgefühle. Wäre das auch so, wenn Männer Uhren kaufen? Ich bin mir da nicht sicher.
Letztlich geht es bei erwachsenen Menschen um ihren eigenen Verdienst, auf den oft lange hingearbeitet wurde.
– Für meine Lady Dior habe ich eisern gespart – darauf bin ich stolz, betont Heldal.
– Für viele ist es die Erfüllung eines Lebenstraums, für andere eine Geldanlage. Im Prinzip ist eine teure Tasche nicht anderes als ein Sammler-Chronograph, ergänzt Einarsdóttir.
Worauf Sie beim Kauf einer Designertasche achten sollten
Damit Luxus-Taschen als Wertanlage funktionieren, rät Einarsdóttir:
– Es braucht Wissen, klare Recherche und einen kühlen Kopf – neben persönlichem Geschmack. Es gibt enorme Unterschiede bei Marken, Modellen und Qualität.
Deswegen gilt: Finger weg von Trendteilen – die sind meist schnell wieder out. Besser auf renommierte, für Design und Verarbeitung bekannte Marken setzen. Überlegen Sie sich Modell, Nutzungszweck, Größe, und den möglichen Wiederverkaufswert im Voraus.
Das Nonplusultra ist und bleibt Hermès: Kaum eine Marke ist so begehrt und preisstabil. Vor allem Kelly und Birkin sind echte Klassiker – allerdings selten, teuer und mit langen Wartelisten verbunden.
– Viele Designertaschen gewinnen sehr schnell an Wert. Die Birkin etwa steigt direkt nach dem Kauf signifikant – Wartezeiten und Seltenheit machen’s möglich. Gleiches gilt für Modelle von Chanel oder Dior, erklärt Heldal.
Einarsdóttir empfiehlt auch einen Blick auf Second-Hand-Märkte. Hier navigiert man zwar vorsichtiger, doch häufig ist das der einzige Einstieg.
– Die Preise bei Neuwaren sind enorm gestiegen, leider nicht immer parallel zur Qualität.
Eine kurze Google-Suche zeigt: Heldals Lady Dior, 2007 für 12.000 Kronen gekauft, erzielt heute gebraucht zwischen 25.000 und 40.000 – vorausgesetzt, sie ist im Bestzustand.
– Ich nutze meine Tasche aber so gern, daher hätte ich wohl Schwierigkeiten, sie teuer zu verkaufen, meint Heldal schmunzelnd.
Wer weiß, was die Zukunft bringt – vielleicht habe ich wirklich investiert, oder ich habe zumindest einen kleinen Teil eines großen Traums verwirklicht.