Die Digitalisierung hat das Bild von Kinderzimmern in Deutschland grundlegend verändert. Klassisches Spielzeug steht zwar noch im Regal, wird aber immer häufiger von smarten Gadgets mit Internetzugang, Mikrofonen und Sensoren ergänzt. Was auf den ersten Blick nach interaktiver Unterhaltung und Unterstützung für Eltern klingt, birgt in manchen Fällen verborgene Risiken. Die Grenzen zwischen traditionellem Spielzeug und vernetzten Geräten verschwimmen zusehends – und damit wächst auch der Bedarf an Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.
Sogar scheinbar harmloses Spielzeug kann ein Mikrofon enthalten und dauerhaft mit dem Internet verbunden sein – ohne jeglichen Hinweis darauf.
Immer mehr Produkte auf dem deutschen Markt reden nicht nur mit, sondern hören auch zu – oft, ohne dass Kinder und Eltern dies mitbekommen. Sprachaufzeichnungen können gespeichert, an Server weitergeleitet oder über schlecht geschützte Apps zugänglich werden. So wird das Kinderzimmer, einst ein Ort maximaler Privatsphäre, potenziell zu einem Einfallstor für Eingriffe in die Intimsphäre.
Digitale Spielzeuge hören mit
Viele moderne Spielzeuge sind heute mit Mikrofonen, Lautsprechern, WLAN oder Bluetooth ausgestattet. Damit können Kinder mit ihrer Puppe sprechen, Lieder hören oder Geschichten erzählt bekommen. Manche Modelle nehmen sogar die Stimme des Kindes auf, um individuelle Vorlieben zu „lernen“ — im Hintergrund oft gesteuert von Cloud-Algorithmen. Problematisch wird es, wenn diese Daten auf ausländische Server übertragen werden, häufig ohne dass Eltern ausreichend informiert wurden.
In puncto Datensicherheit stehen diese Produkte auf einer Stufe mit Smart TVs oder Überwachungskameras – ein gefundenes Fressen für Hacker. Ist die Kommunikation zwischen Spielzeug und Cloud nicht verschlüsselt, kann das Mikrofon gekapert werden. Im schlimmsten Fall erhält eine fremde Person aus der Ferne Zugriff auf die Geräusche im Kinderzimmer – ganz ohne Hinweis oder Zustimmung.
Auch 2025 sind die Unterschiede zwischen Herstellern enorm. Während etablierte Marken wie Ravensburger, VTech oder Playmobil auf Verschlüsselung und Prüfzertifikate setzen (z.B. TÜV oder CE), liefern No-Name-Produkte aus unregulierten Online-Shops oft völlig ungeschützte Software aus. Ein zusätzliches Risiko entsteht, wenn die Steuerungs-Apps von Drittanbietern entwickelt werden, die unnötige Berechtigungen wie Standort- oder Kamerazugriff einfordern – ohne Anmeldung oder Transparenzpflicht.
Manche Spielzeuge speichern Sprachaufnahmen direkt in der Cloud – oft außerhalb deutscher Rechtsräume.
Wenn Spielzeuge wirklich abgehört haben: Prominente Fälle aus Deutschland
Ein besonders bekannter Fall war die interaktive Puppe „My Friend Cayla“. Dieses Spielzeug war über Jahre ein Verkaufsschlager und ermöglichte Kindern echte Gespräche – über eine Internetverbindung. 2017 stufte die Bundesnetzagentur Cayla jedoch als illegales Spionagegerät ein und forderte ausdrücklich die Vernichtung.
Die Ermittlungen brachten ans Licht, dass Cayla nicht nur Stimmen von Kindern speicherte, sondern sämtliche Daten ohne elterliche Zustimmung an fremde Server weiterleitete. Das integrierte Mikrofon war permanent aktiv, konnte per Bluetooth ferngesteuert werden und war nicht passwortgeschützt. Dies widersprach unmittelbar §90 des Telekommunikationsgesetzes, das heimliche Abhörgeräte ohne explizite Zustimmung verbietet.
Obwohl Cayla mittlerweile aus deutschen Läden verschwunden ist, sind ähnliche Risiken keineswegs gebannt. Jüngster Aufreger: 2022 tauchte der Fall „CloudPets“ auf – ein vernetzter Teddybär, dessen Datenbank mit Kinderaufnahmen im Klartext über das Internet abrufbar war. Private Sprachunterhaltungen von Familien waren ungeschützt für jeden im Netz zugänglich – ein klarer Datenschutzskandal, der auch die US-amerikanischen Behörden beschäftigte.
Immerhin: Die EU und Deutschland haben die gesetzlichen Anforderungen seitdem deutlich verschärft. Produkte für Kinder müssen der DSGVO entsprechen und Eltern müssen jederzeit alle aufgezeichneten Daten löschen können. Trotzdem tauchen auf diversen Marktplätzen immer wieder Spielzeuge auf, die keinerlei Standards erfüllen – insbesondere, wenn sie fernab offiziell geprüfter Händler verkauft werden.
Wegen fehlender Passwortsicherung kann ein vernetztes Spielzeug in Deutschland schnell als illegales Abhörgerät eingestuft werden.
So erkennen Sie riskantes Spielzeug und schützen Ihr Zuhause
Nicht jedes digitale Spielzeug ist automatisch gefährlich. Dennoch sollten Sie als Eltern auf diese Warnsignale achten:
- Das Spielzeug hat ein Mikrofon, aber keinerlei Anzeige für eine laufende Aufnahme.
- Für die Inbetriebnahme wird eine App verlangt, die weitreichende Rechte wie Kamera-, Kontakt- oder Standortzugriff einfordert.
- Der Hersteller gibt keine transparenten Hinweise, wie und wo die Daten gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf.
- Der Speicherort der Daten ist nicht eindeutig (z.B. auf Servern außerhalb der EU, etwa in Asien oder den USA).
Experten empfehlen ausdrücklich, vor einem Kauf die App-Berechtigungen und Online-Bewertungen genau zu prüfen. Fehlen Prüfsiegel wie CE oder TÜV und ist das Impressum lückenhaft, sollten Sie lieber Abstand nehmen. Einen zusätzlichen Sicherheitscheck bieten Datenbanken wie das europäische RAPEX-System („Safety Gate“ seit 2024), in dem gefährliche Produkte öffentlich gemeldet werden.
Technik kann das Kinderzimmer bereichern, aber sie verlangt Aufmerksamkeit und gesunden Respekt. Zuhause soll ein sicherer Ort bleiben – nicht nur vor physischen, sondern auch vor digitalen Bedrohungen.