Dezember ist paradox: Er bringt Lichter, Glühwein und Feierlaune — zugleich aber spüren viele Menschen Müdigkeit, Gereiztheit und emotionale Überforderung. Als Psychologe treffe ich in dieser Zeit regelmäßig Patientinnen und Patienten, die überrascht sind, wie erschöpft sie sich fühlen. Die Gründe sind kein Einzelphänomen, sondern ein Zusammenspiel aus Biologie, Sozialdynamik und Erwartungsdruck. In diesem Text erkläre ich, was wirklich passiert und wie Sie konkret gegensteuern können.
Biologie: Das Gehirn reagiert auf Dunkelheit
Die kürzeren Tage verändern unseren inneren Rhythmus. Melatoninproduktion steigt früher, Serotoninspiegel können sinken — das macht müde und reizbar. Viele Menschen schlafen schlechter, sind weniger belastbar und reagieren sensibler auf kleine Ärgernisse.
Praktischer Tipp: Morgens 20–30 Minuten Tageslicht oder eine Tageslichtlampe (ca. 10.000 Lux) helfen oft mehr als zusätzlicher Kaffee. Vitamin D ergänzen – nach Rücksprache mit dem Hausarzt – kann ebenfalls spürbar stabilisieren.
Soziale und berufliche Belastungen
Dezember bedeutet Deadlines, Bilanzierungen, Jahresgespräche und dann noch private Verpflichtungen: Geschenke besorgen, Familie besuchen, Weihnachtsmärkte in München oder Berlin — alles auf engem Raum und in begrenzter Zeit. Das kumuliert Stress und lässt kaum Erholungszeit.

- Arbeitsende: mehr Meetings, weniger Flexibilität.
- Finanzieller Druck: Geschenke, Feiern, Reisen.
- Soziale Verpflichtungen: Erwartungen von Familie und Freunden.
Ein Tipp aus der Praxis: Legen Sie bewusst einen „freien“ Abend im Kalender fest — behandeln Sie ihn wie einen Termin, den Sie nicht verschieben.
Emotionale Erinnerungen und Perfektionsdruck
Feiertage aktivieren Erinnerungen: schöne wie schmerzhafte. Trauer, ungeklärte Konflikte oder die Vorstellung eines „perfekten“ Familienabends können zu innerer Anspannung führen. Social Media verschärft das Problem, weil dort meist nur die Highlights gezeigt werden.
Was hilft: Erlauben Sie sich Unvollkommenheit. Kleine Rituale (ein Spaziergang, ein literarischer Text, ein Song) sind oft wertvoller als eine makellose Tafel mit 15 Gängen.

Konkrete Strategien, die wirklich funktionieren
Aus jahrelanger Praxis empfehle ich sieben einfache Maßnahmen, die Sie sofort umsetzen können:
- Licht am Morgen: 20–30 Minuten Tageslicht oder Lampe.
- Prioritätenliste: Drei Dinge pro Tag, die wirklich wichtig sind.
- Budget-Regeln: Setzen Sie eine klare Obergrenze für Geschenke.
- Delegieren: Teilen Sie Aufgaben innerhalb der Familie oder am Arbeitsplatz.
- Kurzpausen: 5–10 Minuten Atem- oder Dehnübungen vor Meetings.
- Schlafhygiene: Regelmäßige Betzeiten, wenig Bildschirm vor dem Schlaf.
- Notfallplan: Ein freundliches „Nein“ als Satz zur Hand, wenn zu viel wird.
Ein kleiner „Wow“-Fakt aus der Forschung: Bereits 20 Minuten Tageslichtexposition am Morgen können die Stimmung merklich verbessern — ein einfacher Hebel mit großer Wirkung.
Praktischer Wochenplan
Planen Sie kleine Erholungsfenster ein: Montag Lichttherapie, Mittwoch 30 Minuten Spaziergang, Samstag kein Einkaufsbummel. Ein strukturierter, realistischer Plan reduziert Fluchtgedanken und erhöht die Kontrolle.
Zum Abschluss
Dezember ist kein Monster, aber er ist ein Check-up für Ihre Ressourcen — und manchmal ein Spiegel der Beziehungen, die Sie pflegen. Nehmen Sie diese Signale ernst: weniger Perfektion, mehr Planung und bewusstes Licht bringen oft mehr Entlastung als zusätzliche To-dos. Wenn Sie möchten, teilen Sie unten Ihre eigenen Strategien: Was hilft Ihnen, den Dezember gelassener zu überstehen?
